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Blueprint Blaupause. Jugendbuchempfehlung

Charlotte Kerner:

Blueprint Blaupause

1. Bibliografische Angaben und Lesestufe

  • Charlotte Kerner: Blueprint Blaupause. Weinheim, Basel: Beltz & Gelberg, 2004, 208 S. (mit einem Nachwort und einem Essay zum Film von der Autorin)
  • Lesestufe: 9.–10. Klasse

2. Inhaltsangabe

Als die erfolgreiche Pianistin und Komponistin Iris Sellin erfährt, dass sie an multipler Sklerose erkrankt ist, entschließt sie sich in ihrer existentiellen Not, sich von dem kanadischen Genforscher Professor Fisher klonen zu lassen. Während der Schwangerschaft in Deutschland spielt Iris ihrem ungeborenen Kind Musik auf dem Flügel vor, um es bereits in diesem frühen Stadium damit vertraut zu machen. Daniela Hausmann, Musikpädagogin und Mutter des 4-jährigen Janeck, wird nach der Geburt als Kinderfrau für die Tochter Siri engagiert. Während sich Iris wieder ihrer Arbeit widmet, werden Daniela und Janeck schnell zu Siris Ersatzfamilie. Siris Kindheit ist von außergewöhnlicher musikalischer Förderung durch mehrere Lehrer und ein spezielles Übungsprogramm geprägt. Als Siri 12 Jahre alt ist, geben Mutter und Tochter ein gemeinsames Klavierkonzert, wobei sich Siri erlaubt, sich eine gelbe Schleife umzubinden – beide tragen ein schwarzes Kleid –, um gegen die völlige Gleichmacherei zu protestieren. Mit 15 Jahren fährt sie zu einem Zwillingstreffen, sucht in der Fachliteratur Hinweise zu ihrer eigenen Existenz und kommt zu dem Schluss, dass ihre Daseinsform als „Missbrut“ bezeichnet werden muss. Sie hegt nun sogar Mordgedanken gegen ihre Mutter, da sie die Rollen klar in Opfer und Täter einteilen kann. Die beiden Frauen sehen sich äußerlich allmählich ähnlicher und werden immer mehr zu Rivalinnen. Siri verliebt sich in den Freund ihrer Mutter und gibt sich diesem gegenüber als Iris aus, woraufhin diese ihre Tochter als Monster beschimpft. Zwischen beiden Frauen ist nun eine hasserfüllte Beziehung entstanden. Siris Ziel, die Mutter vom Thron der Klavierkünste zu stoßen, misslingt auf erbärmliche Art und Weise und es kommt zu Streitigkeiten, weshalb Siri ihre Heimat Lübeck verlässt und zu Janeck nach Hamburg zieht. Dort holt die 16-Jährige ihr scheinbar verloren gegangenes Leben in allerlei Ausschweifungen nach, auch wenn sie Iris und den Konzertflügel vermisst. Statt Klavier zu spielen, beginnt Siri mit 17 Jahren zu malen. Allmählich beeinflusst die Beziehung zu ihrer Mutter, der es zunehmend schlechter geht, wieder mehr und mehr Siris Leben, bis sie mit 20 regelmäßigen Kontakt zu ihrer Mutter aufnimmt. Ein Jahr später stirbt Iris. Bei Siri überwiegt die Freude über ein Leben ohne ihre Mutter. An der Beerdigung spielt sie auf höchstem Niveau Klavier und beweist dadurch ihre Befreiung. Ein Angebot für eine Konzerttournee lehnt sie ab und schreibt ihr bisheriges Leben nieder. Zehn Jahre später ist Siri eine erfolgreiche bildende Künstlerin, die unter dem Namen „Double-Jou“ eine neue Identität gefunden hat. Sie ist nicht wie Iris an multipler Sklerose erkrankt. Im Epilog berichtet die Lehrstuhlinhaberin für Humangenetik an der ersten deutschen Frauenuniversität in Hannover über den aktuellen Stand der Forschung.

3. Kurzinformationen zur Autorin


Charlotte Kerner wurde 1950 in Speyer geboren. Sie studierte Volkswirtschaft und Soziologie in Mannheim mit Studienaufenthalten in China und Kanada und lebt heute mit ihrer Familie als freie Journalistin und Autorin in Lübeck. Frauen, Forschung und Wissenschaft sind die Themen, mit denen sich Charlote Kerner in ihrer Arbeit hauptsächlich auseinandersetzt. 1979 gewann sie den ersten Preis im Wettbewerb „Reporter der Wissenschaft“ über eine Frauenselbsthilfegruppe nach Krebsoperationen und 1980 schrieb sie über ihre Erfahrungen in China und die dortige gesellschaftliche Stellung der Mädchen und Frauen zusammen mit der Sinologin Ann-Kathrin Scheerer ihr erstes Buch. Sie arbeitete drei Jahre als Pressereferentin der Stiftung „Jugend forscht“ und hospitierte als Stipendiatin der Robert-Bosch-Stiftung u. a. im Wissenschaftsressort der ZEIT. Besonders durch ihre Frauenbiografien hat sich Charlotte Kerner einen Namen gemacht. Für Lise, Atomphysikerin. Die Lebensgeschichte der Lise Meitner erhielt sie 1987 den Deutschen Jugendliteraturpreis (Sparte Jugendsachbuch). 1989 erschien der Roman Geboren 1999. Eine Zukunftsgeschichte, in dem ein 17-Jähriger herausfindet, dass er nicht nur ein Retortenbaby ist, sondern sogar von einer künstlichen Gebärmaschine ausgetragen worden ist. Die thematische Verwandtschaft mit der Geschichte von Siri Sellin ist unverkennbar. Nach dem Erscheinen von Blueprint Blaupause 1999 war die Kritik durch die Medien positiv und Kerner erhielt im Jahr 2000 erneut den Deutschen Jugendliteraturpreis. Nicht zuletzt durch die Verfilmung 2004 mit der prominenten Franka Potente ist dieser Roman zu ihrem erfolgreichsten geworden.

4. Allgemeine Einordnung

Im Anhang zu Bluprint Blaupause werden gut verständlich der wissenschaftliche Hintergrund und die rechtlichen und ethischen Probleme erläutert, angefangen bei der ersten In-vitro-Fertilisation 1978. Hier entscheidet noch der Zufall über Geschlecht und Erbanteile des (populärwissenschaftlich so bezeichneten) „Retortenbabys“. Anschließend werden reproduktives Klonen, das genetisch identische Nachkommen erschafft (Stichwort Klonschaf Dolly), und therapeutisches Klonen, das Krankheiten heilen soll, erklärt. Bei letzterem werden nach der Dolly-Methode Embryonen hergestellt und deren Stammzellen entnommen, aus denen sich noch alle Zellen eines Organismus entwickeln können. In diese Methode, die Anfang unseres Jahrhunderts entwickelt worden ist, werden hohe Erwartungen gesetzt, da ein großer Vorteil darin besteht, dass aus diesen Zellen gezüchtete Produkte als körpergleich erkannt und nicht abgestoßen werden. Was die einen als spannendes wissenschaftliches Zukunftsfeld bezeichnen, ist für die anderen ein schreckliches Horrorszenario, das bei einer Selektierung mithilfe der Präimplantationsdiagnostik anfängt und bei menschlichen Klonen aufhört. Das oft genannte „Designerbaby“ wird dann zum Alltag werden, wenn der Gen-Check eine Routinemaßnahme geworden ist. Noch gibt es das von Charlotte Kerner beschriebene Klonverfahren nicht, doch eine der Voraussetzungen dafür, die vollständige Kartierung des menschlichen Erbguts, ist im Jahr 2000 gelungen.

5. Strukturelle und sprachliche Besonderheiten

Charlotte Kerners Roman ist formal durch die einzelnen Kapitelüberschriften klar strukturiert. Er besteht zum größten Teil aus Siris Geschichte, die sie selbst niederschreibt und „Blueprint“ nennt. Darauf folgt als Epilog ein fiktiver Sachtext einer Professorin für Humangenetik, die Siris Bericht kommentiert. Die Erzählperspektive wechselt: Siri nimmt zum Teil sehr bestimmt die Haltung eines allwissenden Erzählers ein, beschreibt auch manchmal Innenansichten anderer Figuren (vgl. z. B. S. 20 f., 33) oder spricht von sich selbst in der dritten Person: „Als Klon kann ich schließlich Iris oder Siri sein oder ich bin uns beide gleichzeitig. Manchmal steige ich auch einfach aus und werde jemand Drittes, der die Geschichte von Iris und Siri erzählt. Dann kann ich mich/sie/uns betrachten, wie eine Forscherin ihre Versuchsanordnung im kalten, blauen Laborlicht beobachtet.“ (S. 11 f.) Einmal wird auch in Form eines inneren Monologs erzählt, als Siri in die Versuchung gelockt wird, nach dem Tod ihrer Mutter in deren Fußstapfen zu treten (S. 161 f.), um den Leser Siris Konflikt miterleben zu lassen. Genauso vielfältig ist die Sprache. Wenn sich Siri mit ihrer Mutter Iris Sellin oder Professor Fisher auseinandersetzt, ist der Ton stark anklagend, so auch im Gespräch mit dem Plattenmanager nach Iris’ Tod (vgl. S. 160 f.). Fast schon pubertär kommt diese Tonart beim Leser an, die die Grundtendenz der Erzählhaltung unterstützt (vgl. S. 19, 28, 45, 103 f.). Spricht Siri jedoch von sich selbst, wandelt sich die Sprache in eine blumig-poetische. Hier dominieren dann Metaphern („genetisches Hiroshima“, S. 39, „schwarze Liebeswüste“, ebd.), Bilder und Wort neuschöpfungen („Mutterzwilling“, S. 46). Schließlich sind noch informierende und damit neutrale Textpassagen zu nennen (vgl. S. 14, 32).

6. Didaktische Anregungen

Zum Thema Klonen gibt es mittlerweile unterschiedlichste Materialien und Unterrichtseinheiten, da die Problematik in verschiedensten Fächergruppen thematisiert werden kann. Eine für die Schüler höchst motivierende Form der Aufbereitung ist die analytische Auseinandersetzung mit dem Kinofilm Blueprint (Regie: Rolf Schübel, 2004) mit Franka Potente in der Doppelrolle als Siri und Iris. Franka Potente, die u. a. durch Lola rennt bekannt wurde, dürfte ein Garant dafür sein, dass sich die Schülerinnen und Schüler der Mittelstufe mit Neugier und anhaltendem Interesse auf die Unterrichtseinheit einlassen. Eine Literaturverfilmung wird im Deutschunterricht nicht nur zur Erholung oder aus Interesse gesehen. Ein Spielfilm ist ein anspruchsvolles Kunstwerk, das erst aus dem Zusammenspiel verschiedenster Aspekte vollständig begreifbar wird und nicht nur über den Inhalt erschlossen werden darf. Sprache, Dramaturgie, Bildkomposition und Akustik gehören untrennbar zusammen. Übergeordnetes Ziel ist es somit, den Schülern Einblick in die wechselseitigen Wirkungsmöglichkeiten und Funktionsweisen eines Spielfilms zu ermöglichen. Darüber hinaus sollen filmanalytische Begriffe im Verlauf der Unterrichtseinheit eingebracht werden. Neben der Einführung eines Fachjargons geht es jedoch in erster Linie darum, die Jugendlichen zu einer Schärfung der Wahrnehmung zu befähigen, die dann in einem zweiten entscheidenden Schritt zu überzeugenden und nachvollziehbaren Schlussfolgerungen führen soll. Vor Beginn der Unterrichtseinheit muss man abwägen, ob die Behandlung des Films im unmittelbaren Anschluss an die Romanbehandlung durchgeführt wird oder lieber in einem gewissen Abstand, um eine Wiederholungsleistung erbringen zu können. Der Nachteil dabei ist jedoch, dass wohl damit gerechnet werden muss, für Detailfragen viel Zeit aufzubringen. Im Folgenden soll es darum gehen, den Einstieg in diese Unterrichtseinheit zu skizzieren. Hier soll nach dem gemeinsamen Anschauen des Films mit den Schülern darauf hingearbeitet werden, zunächst die wesentlichen Unterschiede zum Roman festzustellen.

Lernziele: Die Schüler lernen

  • eine Literaturverfilmung als eigenständiges Kunstwerk einerseits und als Bearbeitung einer Romanvorlage andererseits kennen,
  • die Komplexität eines Spielfilms zu erkennen,
  • Gesehenes verbal aufzuarbeiten und
  • genau zu beobachten und entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen.

Zudem erhalten sie die Möglichkeit, ihre Kenntnisse des Romans zu reaktivieren. Bereits beim Anschauen des Films wird der Arbeitsauftrag gegeben, die wesentlichen Unterschiede zwischen Film und Roman stichpunktartig in Einzelarbeit zu notieren (und ggf. als Hausaufgabe auszuformulieren). Der Film wird angehalten, als Siri nach Deutschland fliegt, um bei ihrer sterbenden Mutter zu sein. An dieser Stelle soll über den Schluss spekuliert werden, danach erzählen vielleicht Schüler, die den Film bereits gesehen haben, wie er ausgeht. Das Ende, das anders ist als im Roman, wird aufmerksam angeschaut und anschließend über dessen Glaubwürdigkeit diskutiert. Dabei können mögliche Alternativen besprochen werden. In Anschluss an den Film lesen die Schüler die Unterschiede vor, die ihnen aufgefallen sind (und die sie vielleicht als Hausaufgabe ausformuliert haben). Dann werden besonders auffallende Unterschiede im Unterrichtsgespräch gemeinsam an der Tafel in Stichworten notiert. Beispiele:

  • Siri geht im Film nach Kanada und lebt dort in der Abgeschiedenheit, demnach ist der Ort der Handlung hauptsächlich Kanada (statt Deutschland),
  • die Liebesgeschichte mit Greg Lukas fehlt im Roman,
  • unterschiedlicher Zeitpunkt der Erzählung (Buch: Siri erzählt ihre Geschichte im Rückblick nach dem Tod der Mutter, Film: Zeitpunkt vor dem Tod der Mutter)
  • Stoffelch Rudolf (ein Geschenk von Iris an Siri) fehlt im Roman,
  • Professor Fisher und Iris halten das Klonen zunächst geheim (und gehen nicht, wie im Roman, an die Öffentlichkeit),
  • Professor Fisher kommt ins Gefängnis (nicht jedoch im Roman),
  • Siri erfährt erst mit 13 Jahren, dass sie ein Klon ist (im Buch weiß sie es von Anfang an),
  • bei dem gemeinsamen Konzert heftet sich Siri einem Stern mit der Aufschrift „Klon“ (Assoziationen mit Judenstern könnten angesprochen werden) als Merkmal der Unterscheidung an (keine gelbe Schleife wie im Roman).

Im weiteren Verlauf strukturieren die Schüler in Stillarbeit die an der Tafel festgehaltenen Stichpunkte, indem sie Oberbegriffe
(z. B. Handlung, Chronologie, Personen) suchen. Aus dem Erarbeiteten sollen sie für das Verständnis des filmischen Kunstwerkes wichtige Schlüsse ziehen und so als Hausaufgabe drei konkrete wesentliche Unterschiede auswählen und eine Begründung verfassen, warum dieser Aspekt wohl im Film geändert wurde.


empfohlen von Michael Partes